Anbetung der Heiligen Drei Könige
St. Cornelius und Cyprian
Die meisten Gottesdienstbesucher gehen an dem Bild, das links neben der Sakristei hängt und die Verehrung des Christkindes durch die Hl. Drei Könige darstellt, achtlos vorüber. Wer vermutet schon, dass die seit jeher arme Biberacher Kirchengemeinde einen solchen besonderen Schatz besitzt. Und doch wird dieses Bild in Fachkreisen als eine ausgezeichnete Arbeit eines unbekannten Malers geschätzt. Aus den Farben, der Malweise, dem Landschaftsaufbau und dem reichen Zierrat ist zu entnehmen, dass dieses Bild um 1525, also zur Zeit der Reformation, im damaligen Holland in der Nähe Antwerpens entstanden ist. Es ist ein Ölgemälde auf Holz und ist vermutlich die Mitteltafel eines kleinen Wandaltars, so wie er früher in reichen Bürgerhäusern, Klöstern und Kirchen anzutreffen war.
Vorne sitzt Maria mit dem Jesusknaben auf dem Schoß. Dieser segnet mit der Hand den vor ihm knienden Caspar. Sein prunkvoller Hermelinmantel mit den Zierscheiben, der Mantelschließe, den goldenen Ketten und dem Dolch stellt einen wirkungsvollen Gegensatz zu dem betont einfachen Gewand Mariens dar. Das Kind selbst bildet den Mittelpunkt. Es ist unbekleidet, nackt und bloß. Und dennoch überstrahlt es den glitzernden Schmuck der Herrschergestalten. Es ist eine meisterhafte Darstellung des theologischen Gehalts: Das Gold, der Reichtum, die ganze weltliche Macht, alles wird bedeutungslos gegenüber dem einfachen Kind, das Gottes Sohn, der Retter der Welt, ist.
Wie bereits erwähnt, war dieses Bild ursprünglich die mittlere Tafel eines Flügelaltares. Die Seitenflügel gingen verloren. Die Stellen, an denen diese befestigt waren, sind noch zu erkennen. Solche Altäre und Altarbilder dienten früher nicht nur der Erbauung oder dem behaglichen Betrachten, sondern waren immer eine Predigt, deren Inhalt der damalige Mensch besser verstand als wir heute. Alles hatte seine bestimmte Bedeutung, nichts war zufällig. Keine Gewandfalte, keine nackte Haut, alles sollte etwas aussagen. Selbst die Zahl der Menschen, die Farben und Formen, alles wurde vom Künstler wohl überlegt.
Ursprünglich muss der Auftraggeber ein reicher Herr gewesen sein, vielleicht ein Kaufmann, ein Patrizier oder der Abt eines Klosters. Für wen das Bild gemalt wurde und wie es nach Deutschland kam, ist heute unbekannt. Wir wissen jedoch, dass es im vorletzten Jahrhundert der Biberacher Kirchengemeinde für ihre ehemals neue Kirche (gebaut 1863) geschenkt wurde. Der großzügige Stifter, der unserer Gemeinde ein solch kostbares Geschenk machen konnte, war der frühere württembergische Ministerpräsident Hermann von Mittnacht. Sein Großvater war hier während der Deutschordensherrschaft bis 1805 Schultheiß und Amtmann. Sein Vater ist hier geboren (1781), und er wird dem späteren Ministerpräsidenten
öfters von Biberach erzählt haben. So wollte der hohe Herr sich wohl erkenntlich zeigen, wie er zuvor schon den königlichen Hofarchitekten Leins beauftragte, die Pläne für die neue Kirche in Biberach anzufertigen. Woher Mittnacht das Bild hatte, ist nicht überliefert. Sicher war es für ihn mit seinen Beziehungen nicht schwer, an dieses Kunstwerk heranzukommen. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurden alle Klöster Württembergs aufgelöst. Damit wurden viele solcher Bilder überflüssig und preiswert. Heute ist die Gemeinde froh, eine solche Kostbarkeit zu besitzen. Deshalb war sie auch bereit, viel Geld für die Restaurierung und die Sicherung auszugeben.
Gottfried Marzinka