Tauffenster
St. Cornelius und Cyprian
Merkwürdige Köpfe treten uns da entgegen: Erwartungsvolle Gesichter, den Blick nach vorne gerichtet, die Münder halboffen, geschlossen oder gar mürrisch-verbissen, lebendige, Ausschau haltende Augen. Es sind Köpfe aus Glas, in einer eigenständigen Technik gestaltet von Theo Imboden, dem Walliser Künstler aus Täsch. Der Künstler wählte zum Thema „Taufe“ das selten dargestellte Motiv des Moses, der Wasser aus dem Felsen schlägt. In diese Szene hinein gehören also die Köpfe: Köpfe der Israeliten auf dem Wüstenzug, herausgeführt aus Ägypten zwar, aber unterwegs, kein irdisches Paradies in Reichweite oder in Aussicht. Köpfe zwischen Murren und Erwartung, die Frage auf den Lippen: „Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht?“ Die Gestalt des Moses hoch aufgerichtet, uns zugewandt, uns direkt und total anblickend und dabei einfordernd mit den übergroßen Augen und dem schmalen, schön geformten Gesicht. Das ist einer, dem man folgen kann, weil er geschaut hat und weiß, wie es um die menschliche Lebensreise bestellt ist: um ihre Wege und Umwege, Irrwege und Abgründe, um ihr Ziel. Einer, dem die Frage „Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht?“ auch nicht fremd ist. Und zwischen dem Kopf des Moses und den Köpfen der Israeliten entspringt, von oben her und aus unvermuteter Quelle, das Wasser aus dem Stein. Dieses Wasser bringt die Bildhälften zusammen und trägt einen ganz neuen, wunderbaren Ton in die Farben des Fensters: Grün tritt ein in die Skala der aufeinander abgestimmten Töne von Weißgrau, Grau, Graublau und Tiefblau. Vor den Augen der Israeliten fließt der Lebensstrom, ein kraftvoller, starker Fluss, der seinen Lauf nimmt und sich seinen Weg bahnt. Der Strom berührt Moses und der Kopf des Moses wird an der Berührungsstelle hell, weiß und rein. Und dann biegt der Strom um und erfasst die Anderen, spült und schwemmt sich unter sie, um sie auf der Reise ihres Lebens zu tragen. Licht ist es und Leben, das dem Strom entspringt, der Fluss ist aus Glaube, Hoffnung und Liebe.
C. Berchtold im Katholischen Sonntagsblatt Nr. 51/52, 1986