Interview mit Pfarrer Benedict Wilson

Nach dem Weggang von Pfarrer Matthias Weingärtner und der vorübergehenden Vertretung durch Pfarrer Richard Mwebe haben wir seit Februar einen neuen Pfarrvikar. Pfarrer Benedict übernimmt als Pfarrvikar die Seelsorge in St. Alban Kirchhausen, St. Cornelius u. Cyprian Biberach mit Bonfeld und Fürfeld sowie St. Michael Neckargartach. Zum Fest „Darstellung des Herrn“ (fürher: Mariä Lichtmess) führte ihn Dekan Roland Rossnagel in den Gemeinden ein. Die Lichtsymbolik des Tages sei für die Seelsorgeeinheit mit dem Einzug Pfarrer Bendedicts sehr passend, sagte Rossnagel im Gottesdienst.

Pfarrer Anil Benedict Chennamkulath Wilson stammt aus Indien. Im Interview spricht er über seine Berufung und die Unterschiede zwischen Deutschland und seiner Heimat.

Pfarrer Benedict, warum sind Sie Priester geworden?

Benedict Wilson: In meiner Kindheit und Jugend bin ich mehreren lebensgefährlichen Situationen entkommen – beispielsweise wurde ich vor dem Ertrinken gerettet. Das zeigte mir, dass Gott etwas Besonderes mit mir vorhat. Meine Großfamilie, meine Eltern, Großeltern, Onkel und Tanten – mehrere davon sind Priester und Ordensfrauen – bestärkten mich in meinem Denken, Priester zu werden. Im Priesterseminar wurde es mir dann ganz klar: Gottes Plan ist für mich, Priester zu sein.

Welchen Schwerpunkt haben Sie sich gegeben?

Wilson: Mir liegt die Seelsorge ganz besonders am Herzen. Deshalb ist es mir wichtig, den Menschen in guten und schlechten Tagen beizustehen, die Sakramente zu feiern und zu spenden und den Glauben zu leben. Mein Lebensmotto und Weihespruch stammt vom Apostel Paulus: „Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt“.

Was hat Sie nach Deutschland geführt?

Wilson: Zunächst einmal war es die Bitte meines Bischofs, dass ich nach Deutschland gehe. Der bin ich gern gefolgt, da wir indischen Priester mit einem Teil unseres Gehalts die Ausbildung von jungen Menschen und die Sozialarbeit in unseren Heimatdiözesen unterstützen. Der zweite Grund war ein persönlicher: Die Kirche in Europa, besonders auch in Deutschland, befindet sich im Umbruch. Es gibt sehr viele Veränderungen in den Strukturen und im Glaubensleben. Diese Herausforderungen und die Art und Weise, wie sie angegangen und bewältigt werden, will ich kennenlernen, da diese Veränderungen auch auf die Kirche in meinem Heimatland Indien zukommen werden. Ich hoffe, dass ich dann mein Wissen und meine Erfahrungen aus Deutschland dort einbringen kann.

Was gefällt Ihnen an der Heilbronner Gegend?

Wilson: Leider hatte ich bisher wenig Zeit, die Gegend um Heilbronn und die Stadt kennenzulernen. Ich bin erst seit knapp einer Woche da, aber ich freue mich auf die schöne Landschaft mit Feldern, Weinbergen, dem Neckartal und auf die Menschen hier. An Deutschland gefallen mir die vielfältige Landschaft, die Freundlichkeit der Bewohner, die Offenheit und Toleranz Ausländern gegenüber, die Ordnung und Pünktlichkeit. Ich wurde in meinen Gemeinden sehr herzlich aufgenommen. Ich habe mich schnell wie zu Hause gefühlt. Allen die dazu beigetragen haben, möchte ich danken.

Wie unterscheidet sich die Arbeit in der Diözese Rottenburg-Stuttgart von der in Ihrer Heimat?

Wilson: Vor allem der Priestermangel und die geringe Zahl der Berufungen sind mir in der Diözese aufgefallen. In meinem Heimatland Kerala, etwa so groß wie Baden-Württemberg, gibt es jährlich mehr als 200 Jungpriester. Die Pfarrgemeinden in der Diözese Rottenburg-Stuttgart sind viel größer. Besonders auffallend sind die großen Seelsorgeeinheiten. Die Verwaltung nimmt einen großen Raum ein. Dies nehme ich nicht nur in den Pfarreien wahr, sondern in allen Ämtern in Deutschland.

Was ist am Gemeindeleben in Indien anders?

In Indien ist jede Gemeinde wie eine Familie. Jeder achtet und sorgt für den anderen. Es gibt zum Beispiel keine Beerdigungsinstitute. Diese Aufgaben erledigen die Nachbarn oder Familiengruppen. Am Sonntag geht die komplette Familie zum Gottesdienst. Die Kirchen sind voll. Und die Kinder bekommen dann auch Religionsunterricht. Die Werktagsgottesdienste frühmorgens um 6 Uhr oder 6.30 Uhr sind ebenfalls gut besucht. Die Leute gehen anschließend zur Arbeit. Der Gemeindepfarrer besucht mindestens einmal im Jahr jede Familie, segnet sie und ihr Haus und begleitet sie bei allen Sorgen und Problemen. Er kennt jedes Mitglied seiner Gemeinde namentlich.

Welche Rolle spielt der Pfarrer für die indischen Gemeindemitglieder?

Wilson: In meiner Heimat Kerala genießt der Pfarrer ein sehr hohes Ansehen. Er darf jederzeit, auch unangemeldet, in jede Familie kommen und wird dort zum Essen eingeladen. Die Größe der Gemeinden wird in Familien gezählt, durchschnittlich besteht sie aus etwa 300 Familien. Wie in Deutschland werden viele Aufgaben in der Pfarrei von Ehrenamtlichen übernommen. Es gibt keine Gemeinde- und Pastoralreferenten oder sonstige von Laien übernommene bezahlte Tätigkeiten.

Wie lange werden Sie in Heilbronn voraussichtlich bleiben?

Wilson: Mein Bischof hat mich für die Zeit der Vakanz in die Seelsorgeeinheit „Über dem Salzgrund“ versetzt.

Das Interview führte Luise Schadt